Archiv der Kategorie: FAQ – Antworten

Hier finden Sie alle bereits gestellten Fragen inkl. der Antworten.

Faszikulationen: Weitere Fragen

Fragesteller 1:

Lieber Herr Dr. Hecht, wie ich sehe wurden schon viele Fragen zu Faszikulationen gestellt. Aber auch mich interessiert dieses Thema sehr. Ich habe oft gehört das die ALS immer an einer bestimmten Stelle beginnt, Z.B am rechten Handgelenk. Warum kommt es dann aber häufig im Frühstadium schon zu generalisierten Faszikulationen. Wenn nur ein Teil wie der rechte Arm betroffen ist, sind dann trotzdem in den anderen Muskeln Denervierungszeichen oder ein neurogener Umbau mit einem EMG festzustellen ? Ab wann ist ein EMG als sicher einzustufen. Gerade für Menschen die “nur“ an generalisierten Faszikulationen leiden ist es doch sehr wichtig schnellstmöglich zu erfahren ob diese benigne sind oder nicht. Nach wie viel Wochen müsste ein EMG Veränderungen zeigen ? Im Internet bin ich auf einen Bericht von einem Jungen Mann gestoßen der über viele Monate einen Tremor im linken Arm hatte. Er hat sämtliche Befunde hochgeladen. Bei Ihm waren alle EMG’s 1 Jahr unauffällig. Danach erst stellte sich die familiäre ALS heraus. Es gab in dieser Familie mehrere Fälle. Sie schreiben ja das bei den ersten Symptomen bereits 30 – 40 % der Motoneuronen untergegangen sein müssten. Hätte da ein EMG nicht etwas auffälliges zeigen müssen ? Und zu allerletzt noch eine Frage : Woher kommen benigne generalisierte Faszikulationen die über Wochen oder Monate Tag und Nacht präsent sind. Muss das nicht wieder verschwinden irgendwann ? Vielen lieben Dank und herzlichste Grüße Ihre S. G.

Fragesteller 2:

Sehr geehrter Herr Doktor Hecht, in einem Beitrag schrieben Sie: „Faszikulationen sind an sich unspezifisch, sie können auch beim Gesunden Menschen oder nach Nervenschädigungen auftreten. Sie sind jedoch auch charakteristisch für die Krankheit ALS. Sie entstehen wahrscheinlich vorwiegend durch die Reinnervation, d.h. durch die „Neuversorgung“ von Muskelfasern durch frisch ausgewachsene, instabile Nervenästchen.“ Sie schrieben aber auch das Faszikulationen bei ALS generalisiert auftreten. Dieses habe ich ebenfalls aus anderer wissenschaftlicher Literatur bestätigt bekommen. Des weiteren gehen Sie davon aus, dass ein erfahrener Facharzt für Neurologie anhand einer EMG Untersuchung feststellen kann ob Faszikulationen benigne oder maligne sind auf Grund der Denervierungszeichen. Angenommen ein Patient hat wirklich am Anfang der Erkrankung nur Faszikulationen, warum treten diese generalisiert auf ? Ich dachte immer die ALS beginnt zuerst an einer Extrimität. Folglich dürfen doch keine generalisierten Faszikulationen auftreten, Denervierungszeichen wären dann ja nicht vorhanden. Können Sie mir die Zusammenhänge etwas erläutern? Beste Grüße T. M.

Prof. Dr. Martin Hecht:
Liebe Fragesteller,
das aktuell vorhandene Wissen zu Faszikulationen ist in den Vorbeiträgen mehrfach dargestellt.
Die Fragen, die Sie stellen sind berechtigt, aber nicht abschließend beantwortbar.

Daher zusammenfassend:
Es ist richtig, dass bei ALS-Patienten die Faszikulationen oft generalisiert vorhanden sind, die Lähmungen aber lokalisiert beginnen. Eine Erklärung ist aktuell nicht vorhanden.
Die Methode EMG ist eine semiquantitative Methode, d.h. man kann einige Parameter ausmessen, dennoch hängt sie auch sehr mit der Erfahrung des Untersuchers zusammen. Dies ist durch einen schriftlichen Befund, der ins Internet gestellt wird, nicht abschätzbar. Zudem gibt es in der Medizin leider immer auch den 1 Patient unter 100 oder 1000, bei dem Überraschendes auftritt.
Dennoch ist ein unauffälliges EMG bei schon länger bestehenden Faszikulationen ein sehr positiver Hinweis für die Einstufung der Faszikulationen. Je länger dieses unauffällige Bild besteht, umso sicherer können sich Arzt und Patient sein. Der Grund für die verbleibende Unsicherheit liegt nicht in der Unfähigkeit der Untersucher, sondern im Fehlen von frühen sicheren Kennzeichen einer sich schleichend entwickelnden frühzeitigen Alterung (was das Grundwesen der ALS ist). Vielleicht ist es ja in einigen Jahren möglich frühzeitig pathologische Eiweiße in den Nervenzellen bildgebend darzustellen, das EMG ist da wohl bereits ausgereizt.

Die Genese benigner Faszikulationen ist nicht geklärt und möglicherweise vielfältig: Neben autoimmun-entzündlichen Ursachen werden auch psychische Faktoren diskutiert. Beides kann sich prinzipiell wieder bessern oder chronisch werden.

Faszikulationen & EMG

Sehr geehrter Herr Priv. Doz. Dr. Martin Hecht, ich hätte eine Frage bezüglich Faszikulationen und EMG. Kann ein EMG bereits im Frühstadium eine ALS ausschließen? Sie schrieben in einer anderen Antwort bereits das man besonders auf Denervierungszeichen und neurogenen Umbau achten sollte. Angenommen man leidet seid einigen Wochen unter Faszikulationen, und diese Stellen das einzige Symptom da. Keine Schwäche und Athrophien. Was kann man unternehmen um diesen Menschen Gewissheit zu schaffen, bezugsweise die Angst zu nehmen? Im Internet findet man verschiedene Geschichten von ALS Patienten die Ihre Leidensgeschichte publizieren. Einige schreiben das Sie am Anfang ein sauberes EMG hatten. Hat sich die Qualität der EMG’s in den letzten Jahren verbessert? Vielen Dank für Ihre Antwort und einen schönen Sontag wünscht Mia

Prof. Dr. Martin Hecht:
Da die ALS eine Erkrankung ist, die schleichend beginnt und das EMG-Ergebnis immer auch von der Erfahrung des Untersuchers abhängt, werden solche Berichte nie ganz verschwinden. Dennoch, sind sofern ein mit der ALS erfahrener Facharzt für Neurologie dies untersucht hat, reine Faszikulationen seltenst Zeichen einer ALS. Ggf. ist das Aufsuchen einer ALS-Ambulanz in einem Neuromuskulären Zentrum der DGM (http://www.dgm.org/medizin-forschung/neuromuskulaere-zentren-dgm) zum Einholen einer Zweitmeinung noch ein möglicher Weg.

Weiterer Hinweise zu Faszikulationen und ALS siehe hier und hier sowie in weiteren Beiträgen

Medikament gegen Diabetes hilfreich?

Sehr geehrte Damen und Herren, ich versuche meine Frage so kurz wie möglich zu stellen. Ich möchte nur erwähnen das eine Freundin von mir „28Jahre“ an ALS erkrankt ist. In einen Forum aus Russland hat ein User behauptet das es ein Medikament gegen Diabetis gibt das den Nebeneffekt hat das Hormon Myostatin nicht zu 100% im Körper produziert wird bzw es zu blocken. Dies wiederum sollte zu einen Muskelzuwachs führen. Laut Forumuser hat dies bei seinem Vater zu einen Ausgleich geführt sodas verkommene Muskeln „an der Hand“ nicht wieder aufgebaut werden konnte, allerdings andere Muskeln weiter gestärkt und nicht abgebaut worden sind. Da der Eintrag schon sehr alt war und das Forum mittlerweile nicht mehr „online“ ist kann ich leider nicht mehr Informationen einholen. Haben Sie vielleicht diesbzgl Erfahrungen oder ähnliches gehört? Mit freundlichen Grüßen A. M.


Prof. Dr. med. Martin Hecht:

Insbesondere in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wurden – teilweise auch an den Universitäten – einige Versuche mit Muskelaufbaupräparaten gestartet von allgemeineren Wirkstoffen bis zu klassischen Dopingmitteln. Für keine der Therapien wurde meines Wissens nach eine nutzbringende Wirkung gezeigt. Dies ist leider auch sehr plausibel, da die Störung nicht am Muskel liegt und dieser am fehlenden Zufluss durch die Nerven leidet. Leider waren auch alle bisher getesteten Nervenwachstumsfaktoren und letztlich auch alle Stammzelltherapien nicht wirksam.

Ersticken bei ALS und vererbbarkeit

Guten Tag,
Mein Vater starb vor einer Woche an den Folgen der ALS! Die Diagnosestellung war vor einem Jahr. Sein Leben war jetzt mit 60 zu früh zu Ende.
Seine Frau und eine weitere Person waren bei ihm bis zur letzten Sekunde. Sie schildern ein Ersticken… Nicht qualvoll aber er sei erstickt…
Jetzt lese ich immer wieder das man nicht wirklich erstickt…
Ist dem so?
Und werde ich diese Krankheit Erben?
Ist sie vererbbar?

Prof. Dr. med. Martin Hecht:
Die spezielle Situation beim Ableben Ihres Vaters kann ich nachträglich nicht beurteilen.
Sicherlich ist die Schwäche der Atmungsmuskulatur der entscheidende Faktor.
Dadurch wird aber nicht nur die Zufuhr von Sauerstoff geringer, sondern es reichert sich auch Kohlendioxid, das vermindert abgeatmet wird, im Körper an.
Dadurch werden die Patienten müder und müder (man spricht auch von der CO2-Narkose).
Im Normalfall schlafen die Patienten daher relativ ruhig endgültig ein. Das kann auch mit einer verstärkten Atemanstrengung ohne echtes Leid einhergehen.
Nicht auszuschließen ist im Einzelfall, dass der Sauerstoff-Mangel als unangenehme Atemnot erlebt wird (dies kann zumeist durch die Gabe von Sauerstoff über eine Nasensonde vermieden werden) oder aber dass durch ein akutes Verschlucken tatsächlich ein akutes Verlegen der Atemwege erfolgt. In einem professionellen Setting (Pflegestation, Krankenhaus) sollte dies durch Absaugen etc. zu lindern sein.

Es gibt in ca. 5-10% der Pat. eine Vererbbarkeit. Diese ist durch eine positive Familienananmnese gekennzeichnet, d.h. es gibt oder gab noch andere ALS-Pat.
Wenn bisher in Ihrer Familie Ihr Vater der 1. ALS-Pat., war ist eine Vererbung auf Sie daher extrem unwahrscheinlich.

Siehe auch:

ALS und Pilzbefall

Wie viele Patienten mit ALS-Diagnose haben einen oder mehrere Pilze im oder am Körper(in Prozent)?

Prof. Dr. med. Martin Hecht:
Es gibt meines Wissens nach weder einen Nachweis noch einen tragfähigen Hinweis, dass Pilzinfektionen in der Verursachung der ALS eine Rolle spielen oder überhaupt vermehrt nachweisbar sind. Es gibt keine schlüssige Studie die eine Infektion überhaupt, d.h. durch Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten bei der ALS eine Rolle spielt.
Zum speziellen Thema Pilze und ALS ist mir keine systematische Untersuchung bekannt.

Fieber und ALS

Guten Tag, kann es im Verlauf der Erkrankung wegen des Absterbens der Nervenzellen zu sogenanntem Resorptionsfieber kommen? Oder ist die Ursache für erhöhte Körpertemperatur (bei invasiver Beatmung) immer eher in einem Infekt zu suchen? Mein Mann hat seit Beginn der Invasivbeatmung immer eine leicht erhöhte Temperatur, bis ca. 37,5 Grad) aber immer wieder auch für einige Tage zwischen 38 und 39 Grad. Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. med. Martin Hecht:
Nein, das Fieber hat nichts mit der ALS direkt zu tun. Es müssen andere mögliche Ursachen untersucht werden, z.B. eine Lungen- oder Blasenentzündung.

Dystrophie bei ALS

Habe eine Frage zur Dystrophie, findet diese meist nur an einer Seite der Körperhälfte (also linkes Bein linke Hand) statt oder generell überall gleichzeitig? Danke.

Priv. Doz. Dr. Martin Hecht:
Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten: Generell ist die ALS im Verlauf davon gekennzeichnet, dass alle Extremitäten und auch der Mund-Schlund-Bereich beteiligt sind. Ein Beginn in einer einzigen Region oder einer Körperhälfte ist möglich. Bei konkreten Beschwerden sollte ein Neurologe aufgesucht werden!

Muskelkrämpfe bei der ALS

Wodurch und zu welchem Zeitpunkt im Krankheitsverlauf treten Muskelkrämpfe, Versteifungen auf – auch zu Beginn? Oder sind das immer erst Folgen?

Priv. Doz. Dr. Martin Hecht:
Es gibt keine feste Regel. Vermehrte Muskelkrämpfe können auftreten, es gibt aber auch Patienten ohne Muskelkrämpfe. Wenn Muskelkrämpfe auftreten, können diese eher früh, aber auch erst später auftreten.
Und wichtig aber auch folgendes: Es gibt viel andere Ursachen für Muskelkrämpfe, die nichts mit einer ALS zu tun haben.
Zusammengefasst: Weder sind Muskelkrämpfe regelhaft bei der ALS vorhanden noch sind sie ALS-spezifisch.

Therapie mit HNC bei ALS

Sehr geehrte Damen und Herren, vor kurzem habe ich gehört, dass Nervenerkrankungen wie ALS mit HNC behandelt werden können. Stimmt das bzw. gibt es verifizierte, verlässliche Informationen darüber? Vielen Dank für Ihre Antwort. MFG

Priv. Doz. Dr. Martin Hecht:
Mir ist HNC nicht direkt bekannt, wissenschaftliche Studien dazu auch nicht. Physiotherapie in jedweder Form, und als Art der Physiotherapie würde ich laut Angaben im Internet HNC verstehen, ist jedoch prinzipiell immer sinnvoll. Physiotherapie heilt die ALS nicht, sondern kann helfen „trotz ALS“ möglichst viel motorischen Möglichkeiten weiter nutzen zu können.

Invasive Beatmung und Beschleunigung der Lähmungen

Sehr geehrte Damen und Herren, auf Ihrer Web-Seite habe ich gelesen, dass nach Ihrer Erfahrung bei invasiv beatmeten Patienten nach 1-2 Jahren eine vollständige Lähmung vorliegt. Bei meinem Mann steht die Entscheidung über eine solche Beatmung wegen besonderer Schwere der bulbären Symptomatik an. Zur Zeit ist er (1,5 Jahre nach der Diagnose) noch sehr mobil und körperlich verhältnismäßig wenig eingeschränkt. Würde die Invasive Beatmung nach Ihrer Einschätzung vermutlich zu einer Beschleunigung der Lähmungserscheinungen führen? Mit freundlichen Grüßen

Priv. Doz. Dr. Martin Hecht:
Die genannten Zahlen beziehen sich auf eigene Beobachtungen der gemeinsamen Patienten aus der Erlanger Zeit im Neuromuskulärem Zentrum.
Es ist 1. für den einzelnen Patienten schwer und wenn dann nur nach persönlicher Untersuchung vorhersagbar und
2. durch die Beatmung kein schnelleres Eintreten von Lähmungen zu erwarten.
Prinzipiell kann man darüber spekulieren, ob die bessere Sauerstoffversorgung sich sogar positiv auswirkt, es gibt dazu aber keine wissenschaftlichen Erkenntnisse. Da eine Beatmung eine dem Gesunden gleiche Atemsituation bewirkt (und keine „Überversorgung“), besteht kein Grund eine beschleunigte Verschlechterung anzunehmen.