Bericht vom 25. Jahreskongress des Medizinisch-Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e. V. (DGM)
Vor wenigen Tagen ist der 25. Jahreskongress des Medizinisch-Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e. V. (DGM) zu Ende gegangen. Aufgrund der derzeitigen Corona Situation, fand diese digital, also online statt. Mit rund 500 Teilnehmern war es dennoch ein großer und erfolgreicher Kongress – mit einigen sehr interessanten Neuigkeiten für Menschen mit einer neuromuskulären Erkrankung.
Gentherapie – das große Thema auch für die Zukunft?
Eines der Topthemen des Kongresses widmete sich der Gentherapie. Unter der Überschrift: „Herausforderung der modernen Medizin – Was kostet der Fortschritt?“ fand eine breite, über die Grenzen Deutschlands hinaus geführte Diskussion statt, wobei einige sehr vielversprechende Methoden dargestellt wurden.
Bei der spinalen Muskellatrophie (SMA) z.B. findet eine solche Gentherapie bereits ihren erfolgreichen Nutzen, es gibt sogar mittlerweile 2, bald 3 unterschiedliche, zugelassenen Medikamente. Die Ergebnisse sind so gut, dass es sinnvoll ist, betroffene Kinder frühzeitig zu identifizieren. Daher wird derzeit ein Neugeborenen Screening etabliert.
Es ist sehr spannend, welche Möglichkeiten die Gentherapie auf diesem Sektor bietet.
Bei der ALS wird aktuell eine Therapie bei der mSOD-Genveränderung getestet und für die C9ORF72- Genveränderung entwickelt. Es wird nötig sein für jede entdeckte Genveränderung bei der ALS eine eigene Therapie zu entwickeln. Bislang ist es nicht sinnvoll, jeden ALS-Patienten ergänzend genetisch zu untersuchen.
Kritiker sehen in der Gentherapie oftmals die enormen Kosten, welche zweifelsohne vorhanden sind. Allerdings ist dies nur die halbe Wahrheit der Rechnung: ALS ist, wie andere neuromuskulären Erkrankungen auch, von Haus aus eine sehr kostenintensive Erkrankung. Rechnet man das eine gegen das andere auf, so relativiert sich da einiges. Das Ziel muss sein, die Situation der ALS Patienten zu verbessern – unabhängig von Kostenfragen.
Zur Gentherapie im Allgemeinen, möchten wir uns aber auch noch den Ausführungen von PD Dr. Großkreutz anschließen, der vor einer überzogenen Erwartungshaltung warnt. Wie vorgenannt, besteht bis dato nur für 1 neuromuskuläre Erkrankung, der SMA, eine zugelassene Gentherapie. Die Spinale Muskelathrophie ist nur eine von einer Vielzahl der bekannten neuromuskulären Erkrankungen. „Der Einstieg in eine Gentherapie ist immer eine Verpflichtung für alle Beteiligten, sich auf eine jahrzehntelange Reise zu begeben“, betonte Dr. Großkreutz, „da müssen Arzt und Patient in einem Prozess, den man zusammen durchläuft, ganz eng beieinanderbleiben.“
Neue Medikamente zur Behandlung der ALS?
Wie vielen bekannt sein dürfte, wird an der medikamentösen Therapie der ALS weltweit geforscht – ständig und laufend. Vielversprechende Ansätze konnten bisher meistens in nachfolgenden Studien nicht überzeugen, weshalb wir hier auf lateralsklerose.info nicht immer über alle Studien berichten.
Aktuell läuft eine Studie für ALS Patienten mit mSOD-Mutation, welche sich als vielversprechend herauskristallisiert. Allerdings laufen hier noch die Auswertungen und: Patienten mit mSOD-Mutation betrifft nur ca. 1 – 2% der ALS Erkrankten (nur ALS-Fälle mit anderen ALS-Patienten in der Familiengeschichte). Trotzdem – immerhin! Hier gilt es aber noch abzuwarten.
Erste Schritte zur Therapie bei C9ORF72-Mutation sind in Planung, welche auch zumindest hier einer Erwähnung Wert ist, genauso wie die Erprobung zweier völlig neuartiger Stoffe.
Sobald es zu dem einen oder anderem etwas Greifbares gibt, werden wir hier berichten.
Therapien gegen ALS – Aussichten
In der Gesamtschau aller laufenden Forschungen, Studien und Entwickungen Stand 04/2021 muss man schon sehr auf die „Bremse“ treten um nicht zu sehr in Euphorie zu verfallen – dafür ist es wahrlich zu früh. Aber: Nach jahrzehntelangen Fehlschlägen zeigen sich nun doch einige Ergebnisse, die Mut machen und anspornen. Wohin der Weg genau gehen wird, können auch wir heute noch nicht sagen, von einer Heilung für alle ALS-Patienten können wir leider weiter erstmal nur träumen. Im Leben ist nicht alles nur schwarz oder weiß, dazwischen gibt es Millionen von Farbmöglichkeiten – und einen, bzw. mehrerer dieser Farben zu erreichen kann das Ziel sein.