Archiv der Kategorie: FAQ – Antworten

Hier finden Sie alle bereits gestellten Fragen inkl. der Antworten.

Ferienprogramm für Kinder mit ALS

Ich bin Sporteferendarin an einer Realschule und betreue eine ALS-Schülerin! Gibt es ein spezielles Ferienprogramm für Kinder mit ALS? Wo kann ich mich informieren?
Vielen Dank für Ihre Bemühungen im Voraus!

Robert Suck:
Leider ist uns hier auch nichts weiter bekannt, da wahrscheinlich auch viel zu selten und zu speziell. ALS jungen Jahren ist sehr sehr selten.

Aber die DGM bietet für muskelkranke Jugendliche (die meisten haben Duchenne Muskeldystrophie, SMA oder auch eine MItochondriopathie, bei denen es auch zu Sprachproblemen kommen kann) verschiedene Aktivitäten an. Auch nächstes Jahr sind wieder zwei Freizeiten geplant, soviel mir bekannt ist Die Organisation läuft über den Bundesverband der DGM (www.dgm.org). Und in Mitteldeutschland gibt es für junge DGM-Interessierte bis 35 J. eine Gruppe.

Der Begriff lateral in Lateralsklerose

Auf was bezieht sich das „Lateral“ in Lateralsklerose?

Prof. Dr. Martin Hecht:
Das Wort „Lateral“ in Lateralsklerose bedeutet „seitlich“ und bezieht sich auf den „Seitenstrang“ im Rückenmark. In diesem verlaufen die Nervenfasern der „oberen“ motorischen Nervenzellen vom Gehirn zu den einzelnen Etagen im Rückenmark. Dort liegen die „unteren“ Nervenzellen, deren Fasern bis zu den Muskeln ziehen. Die Seitenstränge des Rückenmarks gehen bei der ALS aufgrund der Nervenzelluntergänge unter und verhärten. Verhärten wird in der Fachsprache „sklerosieren“ genannt. Daher beschreibt der Name „Lateralsklerose“ die Verhärtung der Seitenstränge im Rückenmark.
Der Untergang der unteren Nervenzellen führt begleitend zu einem Muskelschwund. Muskelschwund wird auch „Amyotrophie“ genannt. So kam es zu dem langen und schwer verständlichen Namen „Amyotrophe Lateralsklerose“, eine Beschreibung des neuropathologischen Befundes, durch J.M. Charcot 1873.

Gibt es die „akute“ und „chronische“ ALS?

Hallo, im Rahmen meiner Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung schreibe ich eine Facharbeit über prophylaktische Maßnahmen bei ALS. Ein Punkt meiner Gliederung lautet Verlaufsformen.
Gibt es die „akute“ und „chronische“ ALS, da bsw Steven Hawking, schon so lange mit seiner Diagnose lebt.
Ich freue mich über eine schnelle Antwort.


Prof. Dr. Martin Hecht:

Nein, diese Unterscheidung kann nicht getroffen werden, da es ein breites Spektrum gibt und bisher keine Unterschiede zwischen Patienten mit langsamerem und schnellerem Verlaufs gefunden wurden.
Es gibt die Unterscheidung in Beteiligung von nur 1. Motoneuron, nur 2.MN, beides und nur bulbär.
Zudem gibt es nach Beginn der Symptomatik die Unterscheidung in spinal (Extremitäten), bulbär (Schlucken, Sprechen) und Rumpf (Kopfhalteschwäche, Rumpfhalteshwäche oder Atemschwäche).
Viel Erfolg

Gibt es einen signifikanten Anstieg der Neuerkrankungen in Deutschland bei der ALS?

Als Physiotherapeut in einer großen Praxis habe ich den Eindruck, dass sich in den letzten Jahren die Anzahl der ALS-Patienten erhöht hat.
Während es vor zehn Jahren auch in unseren Kreisen eine fast unbekannte Krankheit war, haben wir bestimmt zwei bis drei neue Patienten mittlerweise pro Jahr.
Meine Frage: Gibt es einen signifikanten Anstieg der Neuerkrankungen in Deutschland bei der ALS?
Besten Dank im voraus


Prof. Dr. Martin Hecht:

Überraschenderweise bekommen wir erst jetzt in Deutschland verlässliche Zahlen zur Häufigkeit der ALS in Deutschland. Diese ist mit 2,7 Neuerkankungen pro 100000 Einwohner pro Jahr höher als zuvor angenommen (ALS Register Schwaben). Allerdings gibt es von Deutschland keine vergleichbar gut erhobenen Zahlen von vor 10 oder 20 Jahren, zuvor waren es sehr grobe Schätzungen, d.h. über eine Zunahme im Verlauf können wir keine Aussagen machen.
Ein Land in dem schon länger methodisch gut gezählt wird ist Italien. Dort konnte keine Zunahme beobachtet werden. Für Deutschland denke ich, dass der Hauptgrund für Ihre Beobachtung folgender ist: Die ALS war lange bei vielen Ärzten/Neurologen, aber auch in der Öffentlichkeit wenig beachtet. Erst mit der Einführung des Medikamentes Riluzol haben sich spezialisierte Ambulanzen mit engagierten Ärzten, Begleithilfen wie spezilisierte Hilfsmittel, etc. entwickelt. In der Folge wurden auch die Medien aufmerksamer bis hin zum Medienereignis ALS-Ice-Bucket-Challenge. Der Effekt ist, dass die Patienten schneller diagnostiziert werden, mehr Hilfe erhalten und sich auch nun alle unter ALS etwas vorstellen können. Das hilft den ALS-Patienten die richtigen und wichtigen Therapien, insb. Physiotherapie zu erhalten. Ob sich darin auch ein echter Anstieg verbirgt, werden wir durch die guten Register, die es jetzt gibt (nicht nur Schwaben auch Rheinland-Pfalz) erst in ein paar Jahren wirklich wissen.

GM604 Studienergebnisse

Ich hätte gerne gewusst was Sie über GM604 wissen, bez wie die Studienergebnisse eingeschätzt wurden.
Vielen Dank

Prof. Dr. Martin Hecht:
Ich habe keine persönlichen Zugriff zu den Daten über die Substanz GM604 bei ALS. Die Entwicklung scheint jedoch noch in einem frühen Stadium zu sein. Die kalifornische Herstellerfirma preist die Substanz als Wunderwaffe gegen Hirnschädigungen jeder Art, was mich skeptisch macht. Es wird eine Rolle des Proteins in der embyonalen Nervenzellentwicklung genannt. In der Vergangenheit haben zahlreiche Nervenwachstumfaktoren ALS Patienten nicht helfen können. Daher sollten weitere Ergebnisse abgewartet werden.

Spontanheilung bei ALS mit Selbstheilungskräften

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Martin Hecht,
hat es nach Ihrer Kenntnis nach einer gesicherten Diagnose von ALS irgendwo eine Spontanheilung (oder eine Beschränkung auf den Status quo) mit Selbstheilungskräften gegeben.

Prof. Dr. Martin Hecht:
Eine Heilung ist nicht beschrieben, weder zurückliegend noch in der aktuellen Literatur. Einzelne Patienten (sehr selten!), haben einen Stillstand über eine Zeit von Monaten bis zu Jahren. Es wird dann zumeist überlegt, ob die Diagnose überhaupt stimmt, mir sind aber selber Fälle bekannt, wo die Diagnose auch bestätigt wurde. Es ist dennoch möglich, dass diese Patienten eine ALS-artige Erkrankung haben, die wir bisher nicht unterscheiden können.

ALS und Probleme beim Wasser lassen

Sehr geehrter Prof. Dr. Hecht,
die Mutter meines Lebensgefährten leidet an ALS, die Diagnose lautete im Mai 2013 ALS bulbärer Verlauf. Die Krankheit ist leider schon weit fortgeschritten. Mittlerweile muss sie zusätzlich mit Sauerstoff versorgt werden, die Atmung macht Probleme. In 12 Monaten hat sie 8 Kilo abgenommen. Seit neuestem hat sie Probleme beim urinieren. In wie weit liegt das an der Erkrankung? Sie braucht sehr lange auf der Toilette, kann dann aber kein Wasser lassen. Ab und an verliert sie komplett die Kontrolle und schafft es nicht schnell genug zur Toilette.
Ich Danke Ihnen für Ihre Antwort im voraus und verbleibe bis auf weiteres mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Martin Hecht:
Die ALS befällt sogenannte Willkürmuskeln, auch quergestreifte Muskeln genannt.
Daher sind die Schwäche von Armen und Beinen, aber auch der Atemmuskulatur übliche Symptome. Die Gewichtsabnahme ist ebenfalls häufig und hängt einerseits mit Schluckbeeinträchtigungen zusammen, andererseits gibt es zusätzlich oft eine bisher ungeklärte Gewichtsabnahme. Was aber nicht direkt durch die ALS zu erklären ist, ist die Inkontinenz. Die Schließmuskelfunktion ist vorwiegend anders angelegt, nämlich über sogenannte glatte Muskulatur, die bei der ALS nicht betroffen ist. Daher gehört die Inkontinenz nicht zu den ALS Symptomen. Daher sind zur Klärung Untersuchungen durch eine/n Urologin/en und ggf. auch eine/n Gynäkologin/en sinnvoll.

Seit wann ist ALS bekannt

Seit wann ist ALS bekannt, wer war der erste Fall?

Prof. Dr. Martin Hecht:
Charcot hat der Erkrankung den Namen gegeben, da er als leidenschaftlicher Neuropathologe in der Salpetiere zu Paris, zunächst sehr gute klinische Aufzeichnungen machte, später dann sehr ausführlich die Körper der Verstorbenen pathologisch untersuchte.
Aus der Verhärtung (Sklerose) des seitlichen (lateralen) Rückenmarkes, wo die motorischen Bahnen verlaufen, und dem Muskelabbau (Amyotrophie) hat er den Namen zusammengesetzt. Luys und Hayem hatten zuvor in Fallberichten „nur“ klinische Beschreibungen niedergeschrieben. Seit 141 Jahren ist kein anderer Name gegeben worden, aber auch keine bessere Unterteilung gelungen.

ALS und mesenchymale Stammzelltherapien

Gibt es Erfolge bei ALS mit mesenchymale Stammzelltherapien ?

Prof. Dr. Martin Hecht:
Die mir bekannten größeren Fallserien mit Stammzelltherapien (teils kontrolliert v.a. in Italien, teils unkontrolliert und von massiven ökonomischen Interessen getragen in Russland und China) zeigten keine Erfolge bei ALS Patienten. Dabei wurden z.T. die Zellen in die Blutbahn gegeben, z.T. in das Rückenmark direkt injiziert.
Es wird aktuell angenommen, dass die Stammzellen als maximal zu erwartender kurzzeitiger Effekt Nervenwachstumsfaktoren produzieren könnten. Bis sich Stammzellen in Nervenzellen wandeln, Axone (Nerven-Endigungen) auswachsen und dann – und das ist entscheidend – eine zielgerichtete Funktion innerhalb des motorischen Systems aufnehmen könnten, dauert es sicherlich eher Jahre. Es ist auch unklar, ob die Verbindungen dann sinnvolle Bewegungen auslösen könnten. Wahrscheinlich ist zudem auch, dass die aus Stammzellen entstandenen neuen Nervenzellen durch ungünstige lokale Faktoren ebenso rasch wieder absterben würden. All dies hat grundsätzliche Zweifel an dem Stammzellkonzept bei der ALS hervorgerufen, die nicht widerlegt sind. Solange die Dynamik der Nervenzelldegeneration bei der ALS nicht gestoppt werden kann, werden wahrscheinlich auch alle Stammzellansätze scheitern. Stammzellansätze könnten jedoch helfen, wenn durch andere Therapien das Fortschreiten der ALS an sich gestoppt werden könnte, wovon wir leider weiterhin weit entfernt sind.
Mir ist nicht bekannt, ob momentan eine Arbeitsgruppe speziell mit mesenchymalen Stammzellen Erfahrungen gesammelt hat.