Gibt es einen signifikanten Anstieg der Neuerkrankungen in Deutschland bei der ALS?

Als Physiotherapeut in einer großen Praxis habe ich den Eindruck, dass sich in den letzten Jahren die Anzahl der ALS-Patienten erhöht hat.
Während es vor zehn Jahren auch in unseren Kreisen eine fast unbekannte Krankheit war, haben wir bestimmt zwei bis drei neue Patienten mittlerweise pro Jahr.
Meine Frage: Gibt es einen signifikanten Anstieg der Neuerkrankungen in Deutschland bei der ALS?
Besten Dank im voraus


Prof. Dr. Martin Hecht:

Überraschenderweise bekommen wir erst jetzt in Deutschland verlässliche Zahlen zur Häufigkeit der ALS in Deutschland. Diese ist mit 2,7 Neuerkankungen pro 100000 Einwohner pro Jahr höher als zuvor angenommen (ALS Register Schwaben). Allerdings gibt es von Deutschland keine vergleichbar gut erhobenen Zahlen von vor 10 oder 20 Jahren, zuvor waren es sehr grobe Schätzungen, d.h. über eine Zunahme im Verlauf können wir keine Aussagen machen.
Ein Land in dem schon länger methodisch gut gezählt wird ist Italien. Dort konnte keine Zunahme beobachtet werden. Für Deutschland denke ich, dass der Hauptgrund für Ihre Beobachtung folgender ist: Die ALS war lange bei vielen Ärzten/Neurologen, aber auch in der Öffentlichkeit wenig beachtet. Erst mit der Einführung des Medikamentes Riluzol haben sich spezialisierte Ambulanzen mit engagierten Ärzten, Begleithilfen wie spezilisierte Hilfsmittel, etc. entwickelt. In der Folge wurden auch die Medien aufmerksamer bis hin zum Medienereignis ALS-Ice-Bucket-Challenge. Der Effekt ist, dass die Patienten schneller diagnostiziert werden, mehr Hilfe erhalten und sich auch nun alle unter ALS etwas vorstellen können. Das hilft den ALS-Patienten die richtigen und wichtigen Therapien, insb. Physiotherapie zu erhalten. Ob sich darin auch ein echter Anstieg verbirgt, werden wir durch die guten Register, die es jetzt gibt (nicht nur Schwaben auch Rheinland-Pfalz) erst in ein paar Jahren wirklich wissen.