Archiv der Kategorie: FAQ – Antworten

Hier finden Sie alle bereits gestellten Fragen inkl. der Antworten.

Faszikulationen am Zwerchfell

Guten Tag,

bei einer ALS wird ja bekanntlich die zur Atmung notwendige Muskulatur ebenfalls abgebaut. Können dabei auch Faszikulationen am Zwerchfell auftreten bzw. sind diese Spürbar?

Prof. Dr. Martin Hecht:
Ja, das Zwerchfell ist häufig betroffen. Ich nehme an, dass auch an diesem Muskel Faszikulationen auftreten können. Bisher ist mir von Patienten dies jedoch nicht geschildert worden, ich habe aber auch nicht aktiv gefragt.

Sondennahrung bei ALS-Diabetiker

Welche Art von Sondernahrung über Magensonde ist für einen ALS Diabetiker geeignet, um Gewicht zu zulegen?

Prof. Dr. Martin Hecht:
Es gelten bei ALS grundsätzlich keine anderen Regeln bzgl. der Therapie des Diabetes mellitus.
Da es bei der ALS wichtig ist möglichst viele Kalorien zuzuführen, könnten relativ mehr Fette sinnvoll sein um die Kohlenhydrate zu begrenzen. Ein konkretes Präparat können wir hier nicht empfehlen, in jedem Fall alle Maßnahmen mit dem Diabetologen absprechen.

Diabetes und Bluthochdruck bei der ALS

Hallo,

Ich bin Logopädin und hätte eine Frage bzgl. einer Patientin von mir die seit zwei Jahren an ALS bulbärer Verlaufsform leidet. Zusätzlich zu dieser Diagnose leidet die Patientin an Diabetes und Bluthochdruck. Ich wüsste gern, wie diese Faktoren den Verlauf beeinflussen können? Beste Grüße und vielen Dank

Prof. Dr. Martin Hecht:
Diabetes und Bluthochdruck beeeinflußen die ALS nicht. Auch ist eine zusätzliche Schädigung der bulbären Funktion bei beiden Erkrankungen nicht anzunehmen. Daher bulbäre Therapie wie bei jedem ALS-Patienten.

Reflexe bei der ALS

Sehr geehrter Herr Prof. Hecht!
Warum sind bei der ALS die Sehnenreflexe bzw. der Muskeltonus erhöht, hingegen aber fehlen die Bauchhautreflexe bzw. sind stumme Sohlen vorhanden und die NLG ist stark vermindert? Mit freundlichen Grüssen und vielen Dank

Prof. Dr. Martin Hecht:
Die Steigerung der Muskeleigenreflexe und der Ausfall der Bauchhautreflexe, bzw. Babinski-Zeichen/stumme Fußsohlen sind alle Ausdruck einer Schädigung der sogenannten oberen Motoneurone. Dabei ist der Ausfall der o.g. Zeichen dadurch zu erklären, dass es sogenannte Fremdreflexe sind. Der Ausfall bedeutet jedoch das gleiche wie die Steigerung der „Eigenreflexe“ wie Patellarsehnenreflex etc.
Eine verminderte NLG gibt es bei der ALS nicht!

Yoga und ALS

Sehr geehrter Dr. Hecht,
eine Yogaschülerin bekam nun die Diagnose ALS, was ich angesichts der zunehmenden Zungenlähmung mit Sprachstörungen und Speichelfluss schon befürchtet habe.
Meine Yogastunden sind eher auf Dehnung und Entspannung angelegt, nur stellenweise anstrengend und fordernd.
Was muss ich beachten um meiner Schülerin noch einige Zeit die Teilnahme zu ermöglichen?
Konkret habe ich folgende Sorgen:
1. bei den Atemübungen – hier wird im Yoga z.T. ziemlich regulativ eingegriffen. Kann sie dies steuern, würde sie Auswirkungen (wie Hypervantilation) bemerken?
2. bei Körperübungen: kann sie sich überfordern, weil sie Wohlbefinden oder Anstrengung evtl. nicht mehr bemerken oder einschätzen kann?
3. bei der Meditation: ist Innenschau evtl. Kontraindiziert (wie z.B. bei klinisch diagn.Depression)?
4. welche plötzlichen Notsituationen könnten eintreten?
5. welche Symptome wären ein entgültiges „Aus“ für eine Teilnahme?
Ich danke Ihnen sehr für eine Antwort!
Ich erhoffe mir davon etwas Sicherheit im Umgang mit der Teilnehmerin und ihrer Erkrankung, damit ich ihr gerecht werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Martin Hecht:
Für das Yoga gilt wie für andere Übungen inkl. Physiotherapie: Es ist gut, wenn die Pat. weiter aktiv sind.  Die Menschen spüren selber, wie stark sie dabei erschöpfen, nichts erzwingen. Als Faustregel gilt: Die Kraft soll für den Alltag da sein, Übungen sollen sanft stärken. Daher bitte den Pat. vor der nächsten Stunde befragen, wie es nach der letzten Übungsstunde für ihn weiter ging (aktiv oder erschöpft).
Atemübungen sind positiv. Im Verlauf kann trotzdem die Atmung so schwach werden, dass sie Übungen limitiert.
Einzig gefährlich kann ein Verschlucken sein, das zu akuter Atmenot führt. Das ist aber im Yoga nicht anzunhemn.
Ob Meditation gut tut, ist pauschal nicht zu beantworten. Ich nehme aber an, dass ein Mensch, der gewohnt ist zu meditieren, dies auch in schwierigen Lebensphasen fortführen will.

Verschiedene Arten einer ALS

Hi,
Ich wollte fragen ob es noch mehr „Arten“ von ALS gibt. Ich kenne bis jetzt nur die „normale“ und die „chronisch juvenile ALS“.
Danke

Prof. Dr. Martin Hecht:
Es gibt verschiedene Einteilungen. Prinzipiell gibt es die „sporadische“ (=ohne Hinweis auf Vererbung) und die hereditäre (=vererbte), wobei aktuell der Großteil als sporadisch gilt. Dies kann sich durch die weitere genetische Erforschung aber noch ändern.

Klinisch unterscheidet man typischerweise in:
Klassische amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Klinische Zeichen einer Schädigung des 1. und 2. Motoneurons; Beginn bulbär oder spinal.

Primäre Lateralsklerose (PLS): Nur 1. Motoneuron betroffen. Nur zu diagnostizieren, wenn 4 Jahre ohne Zeichen einer Beteiligung des 2. Motoneurons vergangen sind. Auch rein bulbär als Pseudobulbärparalyse möglich

Progressive Muskelatrophie (PMA): Initial nur das 2. Motoneuron betroffen, kein Nachweis einer Beteiligung des 1. Motoneurons, häufige Anfangssymptomatik (im britischen Sprachgebrauch: Lower Motor Neuron Disease).

Vulpian-Bernhart-Syndrom (flail-arm-Syndrom): seltene Sonderform zu Beginn schlaffe Paraparese der Arme ohne Reflexsteigerung

Kombination mit manifester frontotemporaler Demenz als ALS-FTD (ca. 5%)

im Verlauf entwickeln fast alle Patienten eine klassische ALS. Die juvenile Form ist kein fester Begriff, meint v.a. ein Beginn in der Jugend, was zumeist jünger als ca. 40 Jahre bedeutet. Bei Patienten mit juveniler Form ist eine genetische Form wahrscheinlicher.

Verbesserte Muskelkraft & Ziehen in den Muskeln

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Hecht! Kann es sein, dass sich bei einem sehr langsamen Verlauf von ALS zwischendurch die Muskelkraft wieder verbessert bzw. was kann man gegen dieses Ziehen in den Muskeln tun, man sagt ja, dass dies durch die Reinnervation entsteht. Vielen lieben Dank für Ihre Antwort im Voraus.

Prof. Dr. Martin Hecht
Ja, wenn eine ALS-Erkrankung sehr langsam verläuft und der Betroffene gezielt unter krankengymnastischer Anleitung trainiert, kann es zu einer Kraftzunahme kommen. Wichtig ist, dass dabei die Belastung nicht zu stark wird, dies kann man am besten durch die Bestimmung des Blutwertes CK machen. Wenn die CK >600 U/L ist (bei Norm bis 170U/l), ist die Belastung zu groß und es ist ratsam etwas weniger kräftig zu trainieren, also sanfter. Wenn dies nicht der Fall ist, gibt es keine sicher wirksame Therapie, 1. Schritt Magnesium, 2. Vitamin E, 3. Schritt evtl. Carbamazepin (rezeptpflichtig) oder bei Spastik Baclofen (rezeptpflchtig). Allerdings wäre mein bevorzugter Tipp eine sanfte Massage oder Lymphdrainage der betroffenen Regionen.

Körperliche Aktivität bei ALS – gut oder schlecht?

Beeinflusst es den Verlauf einer ALS negativ, wenn man, solange es möglich ist, intensiv Sport treibt?

Prof. Dr. Martin Hecht:
Körperliche Aktivität ist grundsätzlich sehr gut um die körpereigenen Reparaturmechnismen zu fördern. Leitschiene kann dabei ein Blutwert, das Muskelenzym CK sein. Der CK-Wert kann bei ALS-Patienten leicht erhöht sein. Sollte er deutlich erhöht sein (ca. > 600 bei Norm bis 170U/l) Belastung reduzieren

 

Geistige Fähigkeit im fortgeschrittenem Stadium

Hallo,
ich würde gern wissen ob ALS auch die geistigen Fähigkeiten beenflusst? Oder ist es etwas so, dass wenn ein Patient im fortgeschrittenen Stadium komplett gelähmt im Bett liegt, beatmet wird und nur noch die Augen sich bewegen, er dennoch bei vollem Bewusstsein alles um sich herum wahrnimmt? Versteht er was man, sagt und tut, kann nur nicht mehr reagieren?
Wie lang lebt ein Patient in so einem Stadium ca noch?
Vielen Dank im Voraus.

Prof. Dr. Martin Hecht:
Bei der ALS sind das Bewußtsein und die Merkfähigkeit unbeeinträchtigt. Ein Teil der Patienten hat leichte Veränderung in der Funktion der Stirnlappen, im Fachjargon frontotemporale Veränderungen, welche eher komplexere Funktionen betreffen. Im alltagsleben sind ALS-Patienten bis zuletzt orientiert, entscheidungsfähig und beziehungsfähig. Dies ist je nachdem, wie man es betrachtet ein Segen oder ein Fluch für die Patienten: Sie sind als Person noch „ganz da“, aber sie bekommen den beständigen Verfall ihrer Muskeln vollständig mit.

Das Überleben der Patienten hängt weniger von der Arm oder Beinkraft ab, sondern vor allem von der Kraft der Atemmuskulatur (Zwerchfell und Atemhilfsmuskulatur). Diese kann parallel, aber auch unterschiedlich stark betroffen sein. Zudem hängt das Überleben natürlich davon ab, ob die Atmung maschinell unterstützt oder übernommen wird. Es kann also durchaus so sein, dass er versteht, was man, sagt und tut, und nur nicht mehr reagieren kann. Beatmete ALS-Patienten können sehr lange überleben, wobei die Lähmungen weiter zunehmen und im Extremfall – nach vielen Beatmungsjahren – nicht einmal mehr die Augen bewegt werden können.

Retroviren als möglicher Verursacher bei einer ALS?

Guten Tag Herr Professor Dr. Hecht,
im Deutschen Ärzteblatt wurde eine US Studie erwähnt, die endogene Retroviren als möglichen Verursacher oder zumindest starken Beteiligten an der ALS sieht. Die Vermehrung dieser Herv-k Viren wäre vermutlich durch HIV Medikamente, welche die RNA Transkription hemmen, einzuschränken. In den USA werden nun in Stufe eins klinische Tests mit Erkrankten durchgeführt.
Was halten Sie von diesem Ansatz? Sind in Deutschland ähnliche Studien angedacht?

Prof. Dr. Martin Hecht:
Die im Deutschen Ärzteblatt zitierte Studie ist sehr hochrangig publiziert und kommt aus einer guten Arbeitsgruppe. Sie stellt einen möglichen Zusammenhang mit ins menschliche Erbgut integrierte sogenannte Retroviren und der ALS her. Ergänzend stellen die Autoren auch eine Verbindung zum vieldiskutierten Eiweiß TDP-43 her und sie konnten durch akute Infektion von Mäusegehirnen mit dem Retrovirus HERV-K eine Erkrankung von Motoneuronen auslösen.
Dennoch bestehen zunächst mehr Fragen als Antworten: Sind die Ergebnisse reproduzierbar? Sind die Ergebnisse wirklich beweisend für eine primäre Aktivierung der retroviralen Anteile im Erbgut der Patienten? Was ist zuerst da, die TDP-43 -Veränderung oder der aktivierte retrovirale Genanteil? Wenn die retroviralen Erbgut-Anteile wirklich krankheitsauslösend sind, betrifft das alle ALS-Patienten oder nur einen bestimmten Anteil? Warum hat die zurückliegende, erste Studie mit Antiretroviralen Medikamenten keinen Erfolg erbracht?
Diese Fragen müssen nun in wissenschaftlichen Studien bearbeitet werden. Dabei kann auch ein Teil eine Therapiestudie mit antiretroviralen Substanzen sein, dies sollte aber unter kontrollierten, wissenschaftlichen Bedingungnen stattfinden. Von einer eigenständigen Einnahmen solcher Medikamente ist aktuell dringend abzuraten.
Insbesondere die großen ALS-Zentren Deutschlands (z.B. Ulm, Hannover, Berlin) werden im Falle einer Welt- oder Europaweiten Therapiestudie sicher beteiligt sein.