Thema Sterbehilfe und Patientenverfügung bei ALS

Ein Beitrag von Robert Suck

„Nicht durch die Hand eines anderen sollen die Menschen sterben, sondern an der Hand eines anderen“

Bundespräsident Horst Köhler, Oktober 2005

In den verschiedensten Medien werden derzeit die Gesetzesentwürfe zur Patientenverfügung diskutiert. Gerade in letzter Zeit häuften sich vor allem im Fernsehen Beiträge und Diskussionsrunden zu diesem Thema, in denen die verschiedensten Meinungen erläutert wurden.

Am Mittwoch den 28.03.2007 widmete sich auch der Sender 3Sat mit einem „3Sat Extra“ diesem Thema, in dem als Dokumentation der Film „Mein Tod gehört mir – Sterbehilfe in Deutschland“ vorneweg gezeigt wurde. Zu dieser gelungenen Dokumentation, haben wir bereits hier Stellung genommen. Es freut uns sehr, dass unsere Anregung damals, den Beitrag doch zu Wiederholen und eine Diskussionsrunde dazu zu veranstalten, ein offenes Ohr gefunden hat.

Auch in der Spiegelausgabe vom 26.03.2007 fand sich ein interessanter Beitrag zu diesem Themenkomplex, ein Interview mit dem Kölner Pathologen und Vorsitzenden der Bundesärztekammer Dr. Jörg-Dietrich Hoppe und Dr. Gian Domenico Borasio, Neurologe und anerkannter Palliativmediziner. Während dieses Interviews fielen ein paar nachdenkenswerte und wichtige Aussagen, wie zum Beispiel dass es wenig verbreitet ist, dass der Wille eines Patienten verbindlich ist, niemand darf gegen seinen Willen behandelt werden. Der Mensch genießt uneingeschränkte Autonomie und ist auch durch das Grundgesetz so abgesichert. Der Wille des Patienten, egal ob nun durch eine Willenserklärung in schriftlicher oder mündlicher Form, hat Vorrang und an diesem muss sich der Arzt auch halten. Vorraussetzung ist jedoch, dass der Patient bei klarem Verstand ist und seinen Willen klar äußert. Einem Schwerstdepressiven wird demnach nicht aufgrund suizidaler Absichten die „berühmte Maschine“ abgestellt.
„Es ist verboten, gegen den erklärten oder mutmaßlichen Willen eines Patienten und/oder einer fehlenden medizinischen Indikation einen Patienten künstlich zu ernähren“ Eine wichtige Aussage des Herrn Dr. Borasio, welches die Stellung der Patientenautonomie noch einmal verdeutlicht. Dies gilt im übrigen nicht nur für die künstliche Ernährung, sondern für alle Behandlungsformen wie beispielsweise der invasiven Beatmung.
Das ganze Interview, was ich für sehr lesenswert halte, ist in der o.g. Spiegelausgabe nachzulesen.

Zusammengefasst sollte aus meiner Sicht eine künftige gesetzliche Regelung zu Patientenverfügungen die Autonomie des Patienten klar festigen und fördern. Die Fragestellung, ob in einem solchen Gesetzestext die Formulierung „eine zu Tode führende Krankheit“ zu eng gewählt ist, ist für ALS-Patienten leider nicht von Bedeutung.
Die Angst der Menschen vor ungewollter Behandlung ist jedoch groß, was auch die Aussage einer auf der Strasse befragten Passantin klar zum Ausdruck bringt, die man in der o.g. Sendung auf 3Sat sehen konnte. Sinngemäß meinte sie, dass sie der Überzeugung ist, dass an Menschen die im Sterben in Krankenhäusern liegen noch „rumexperimentiert“ wird, sprich diese vielleicht für heimliche Studien für Medikamente benutzen. Hier ist dringend Aufklärung geboten. Es ist teilweise erschreckend, welche falschen Bilder die Menschen über Palliativmedizin haben. Meiner Meinung nach sollte hier viel besser aufgeklärt werden, anstelle über Sterbehilfe zu diskutieren, wie es in der 3Sat Sendung getan wurde. Aktive Sterbehilfe ist verboten und das ist auch gut so, genauso wie es gut ist, dass passive Sterbehilfe nicht nur erlaubt, sondern auch geboten ist. Nicht im Sinne eines ärztlich unterstützten Suizids, sondern im Sinne einer guten Palliativmedizin. Nicht Leben verlängern, sondern Leiden mindern. Wie Herr Dr. Thomas Meyer von der ALS-Ambulanz an der Charitè in Berlin in dem Film richtig darstellte, kann der Übergang hier ziemlich fließend verlaufen. Herr Dr. Meyer erklärte, wie durch Gabe von Morphinen der Sterbevorgang erleichtert werden kann. Was dabei nicht richtig zum Ausdruck kam ist, dass dies eine palliative Maßnahme ist, also im Endstadium der Erkrankung in dem die oben beschriebenen medizinischen Indikationen fehlen (also eine Behandlung keinen Sinn mehr macht) und nicht so gehandhabt wird, bei einem frühem Stadium. Der Hintergrund ist einfach: Im Sterbeprozeß können Ängste entstehen, vielleicht Atemnot, Schmerzen und dergleichen. Die jeweiligen Symptome werden mit starken Medikamenten gelindert unter in Kaufnahme, dass der Patient früher verstirbt. Der natürliche Sterbevorgang wird demnach nicht künstlich herbeigeführt (ärztlich assistierter Suizid) sondern für den Patienten erleichtert und ertragbarer gemacht.
Fest zu halten ist jedoch, dass in jedem Stadium der Erkrankung der Patient über die Art der Behandlung frei entscheiden kann. Hierzu ist es unbedingt notwendig, sich mit dem behandelnden Arzt auszutauschen um die Möglichkeiten einer sinnvollen Therapie kennen zulernen und um Ängste abzubauen. Letztlich ist es auch deshalb wichtig um dem Arzt seinen Willen darzulegen, wie und wann er mit welchen Therapien behandelt werden möchte. Nichts anderes ist eine Patientenverfügung, an der sich der Arzt zu halten hat. Zudem, der Patient hat bei der ALS durchaus bereits Kenntnis von der Krankheit und kann eine sehr spezifische Patientenverfügung formulieren. Dies sollte er tun und regelmäßig aktualisieren, das kann oft auch nur eine erneute Bestätigung mit Datum sein.

Ich bin mir sicher, wenn der Patient gut und vernünftig über die Palliativmedizin, über die Arbeit von Hospizen und die vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt wurde, dass in den allermeisten Fällen der Wunsch nach ärztlich unterstützten Suizid wie er beispielsweise in der Schweiz praktiziert wird, verloren geht.