EMG + Faszikulationen

Sehr geehrter Herr Hecht,
immer wieder stoße ich auf widersprüchliche Aussagen zu Faszikulationen und EMG-Befunden. Vielleicht können Sie mir darauf eine klärende Antwort geben:

Stehen Faszikulationen bei ALS mit Atrophien/Paresen in einem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang, d.h. sollten sich dort, wo die Muskeln faszikulieren bald auch Atrophien/Paresen zeigen bzw. schon vorliegen oder können Faszikulationen auch Monate oder Jahre vor Beschwerden auftreten, bzw. in Musklen, die keine Beschwerden verursachen?

Sind im EMG wirklich schon Veränderungen (welche?) nachweisbar, bevor sich klinische Symptome zeigen? Warum werden sichtbare Faszikulationen oft nicht im EMG „gesehen“? Mir ist bei den Krankheitsgeschichten einiger ALS-Patienten aufgefallen, dass sich die Diagnose wegen unauffälliger EMG-Befunde trotz vorhandener Faszikulationen/Schwäche/Spastik verzögert hat.

Mit freundlichen Grüßen

Priv. Doz. Dr. Martin Hecht:
Grundsätzlich sind Faszikulationen nicht wegweisend: Sie können bei Gesunden vorkommen, dann am ehesten beim generalisierten Faszikulations-Crampi-Syndrom oder nach Wurzelläsionen. Sie können aber auch ein erstes Zeichen einer ALS sein. Wahrscheinlich handelt es sich um eine eher unspezifische Reaktion des Muskels, bzw. einzelner motorische Einheiten, die peripher oder auch zentral ausgelöst sein kann. Grundsätzlich sind sichtbare Faszikulationen auch elektrisch ableitbar, wenn die Nadel nahe genug liegt. Daher ist im EMG vor allem wichtig, ob begleitende Veränderungen vorhanden sind (Denervierungszeichen wie Positive scharfe Wellen oder Fibrillationen oder ein neurogener Umbau). Da im Tiermodell der mSOD-Maus bei ersten Symptomen bereits ca. 50% der Neurone untergegangen sind und viele Patienten mit generalisiertem Faszikulations-Crampi-Syndrom über Jahre keine weiteren Veränderungen aufweisen, fordert man für eine ALS-Diagnose mehr Veränderungen als nur Faszikulationen. Dies schließt nicht aus, dass es einzelne ALS-Patienten gibt, die frühzeitig Faszikulationen haben ohne zu diesem Zeitpunkt fassbare weitere Veränderungen. Trotzdem ist auch zu hinterfragen, von welcher Qualität und wie ausführlich die EMG-Untersuchung bei den von Ihnen genannten Patienten war.