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Neuer Anlauf für die geplante Minocyclin Studie

Derzeit befindet sich ein ausführliches Studienprotokoll in der Vorbereitung, um diese bei der BMG vorzulegen. Ob und wann die Studie wieder aufgenommen werden kann ist allerdings noch offen.
Sobald sich neue Fakten ergeben haben, informieren wir sie auf unseren Seiten selbstverständlich umgehend.

Update: Ein detailierter Studienplan mit Minocyclin bei ALS wurde Ende Januar von Prof. Ludolph / Ulm im Namen der Deutschen ALS-Studiengruppe (u.a. ALS-Ambulanz Erlangen) bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)/Bundesministerium für Bildung und Forscheng (BMBF) eingereicht.

Hauptsache Gesund auf MDR- 15. Dezember 2005 – 21.00 Uhr

Etwa 6000 Menschen in Deutschland leiden an amyotropher Lateralsklerose, kurz ALS. Die Ursachen der Krankheit sind bisher nicht bekannt und sie ist nicht heilbar.
Erste Symptome von ALS sind meist Schwächen in einer Hand und Schwierigkeiten beim Laufen. Der Grund ist ein Absterben von Nervenzellen in Gehirn und Rückenmark, deren Aufgabe die Versorgung der Muskeln ist. In der Folge verkümmert die Muskulatur. Das führt zu Lähmungen von Armen und Beinen. Viele Kranke können nur noch die Augen bewegen, bleiben dabei aber bei vollem Bewusstsein. Schließlich befallen Lähmungen die Atmung, es droht der Tod durch Ersticken. Die meisten Patienten sterben jedoch weniger qualvoll als befürchtet im Schlaf.
An „Hauptsache Gesund“ hatte sich ein Mann gewendet, um seiner guten Freundin zu helfen, die an ALS erkrankt ist. Die Betroffene wurde bisher nicht von einem Spezialisten behandelt. Wir haben die beiden zu einer der 27 ALS-Ambulanzen in Deutschland begleitet. Im Universitätsklinikum in Erlangen wurde die Patientin umfassend vom ALS-Spezialisten Dr. Martin Hecht untersucht. Er konnte ihr Ratschläge geben, um die schweren Begleiterscheinungen der Krankheit zu mildern.

16. Internationales ALS/ MND-Symposium in Dublin, 8.-10.12.2004

Vom 8.-10. Dezember 2005 fand in Dublin das von der britischen Motor Neurone Disease Association organisierte, jährliche Internationale Symposium über ALS und andere Motoneuronerkrankungen statt. Mit fast tausend Teilnehmern aus aller Welt war die Anzahl der Teilnehmer in Dublin erneut beeindruckend hoch und zeigt, dass auch in Zeiten kleinerer Budgets und häufiger Interesseneinengung auf „Volkskrankheiten“ mit hohen Patientenzahlen (wie dem Diabetes mellitus oder dem Schlaganfall) das Interesse an der Erforschung der ALS in aller Welt parallel ungebrochen ist. Die vorgestellten wissenschaftlichen Arbeiten zeigten, dass das Verständnis der Entstehung, Diagnostik und symptomatischen Therapie der ALS weiter fortschreitet.

In Hinsicht auf neue Therapien der ALS hatte der Kongress drei wesentliche Aspekte: 1. wurden kürzlich zwei Therapiestudien leider ohne Nachweis einer positiven Wirkung abgeschlossen. 2. wurden erste, kleine Studien zu weiteren Wirkstoffen mit sehr hoffnungsvollen Ergebnissen vorgestellt. Und 3. gibt es sehr sinnvolle Überlegungen wie Therapiestudien in Zukunft effektiver und vor allem schneller durchgeführt werden können.

Vorgestellt wurden in Dublin die Ergebnisse der Studie mit TCH346 und eine weitere Studie mit Kreatin.
Der Wirkstoff TCH346 der Firma Novartis kann experimentell den zelleigenen, programmierten Untergang von Nervenzellen (Apoptose) verlangsamen. Leider konnte in einer in den USA und Europa durchgeführten Studie kein positiver Effekt gezeigt werden, sodass dieses Medikament bei der ALS wohl nicht zum Einsatz kommen wird.
Kreatin ist ein Wirkstoff der energiereiche Moleküle transportieren kann und daher sowohl im Sport eingesetzt wird, aber auch als möglicher Energielieferant für Nervenzellen bei der ALS angesehen wurde. Nachdem bereits zwei Studien keinen positiven Effekt von Kreatin auf den Krankheitsverlauf der ALS gezeigt hatten, unersuchten amerikanische Neurologen, ob Kreatin den Gesamtverlauf der Erkrankung oder zumindest die Schwäche und Ermüdbarkeit der Muskeln bei ALS-Patienten positiv verändern kann. Die Studie zeigte weder für den Gesamtverlauf noch für die Ermüdbarkeit der Patienten eine positive Wirkung. Wesentliche Nebenwirkungen wurden wie zuvor nicht gesehen.

Großes Interesse finden derzeit entzündliche Vorgänge bei der ALS. Obwohl die ALS im Kern keine entzündliche Erkrankung ist, werden wohl in der Folge von ersten Nervenzelluntergängen entzündliche Vorgänge angestoßen. Diese könnten die Erkrankung verstärken und beschleunigen. Es erscheint daher sinnvoll diese Reaktion des Körpers zu bremsen. Zwei Medikamente, die bereits zur Behandlung der Multiplen Sklerose (MS), einer vorwiegend entzündlichen neurologischen Erkrankung, zugelassen sind (Interferon Beta 1a und Glatirameracetat), wurden in ersten Studien erfolgversprechend getestet und werden nun intensiver untersucht. Auch Thalidomid, als Schlafmittel sehr unrühmlich als Contergan bekannt geworden, hat entzündungshemmende Effekte. Zudem wird es gegen die Gewichtsabnahme bei AIDS- und Krebspatienten eingesetzt. PD Dr. Thomas Meyer wird in Berlin eine erste, sehr streng überwachte Studie mit Thalidomid bei wenigen ALS-Patienten durchführen.

Wissenschaftliche Studien zur Überprüfung von neuen Wirkstoffen, die eine sinnvolle Behandlung der ALS sein könnten, benötigen insbesondere im Vergleich zum Fortschreiten der Krankheit ALS relativ viel Zeit. Um die Zeit von einer Idee bis zu ihrer Überprüfung und eventuellen Verfügbarkeit für alle ALS-Patienten möglichst zu verkürzen, wurden intensive Überlegungen zu neuen Arten von wissenschaftlichen Studien in Dublin vorgestellt. Besonders viel versprechend könnten Studien sein, die Wirkstoffe gegeneinander vergleichen (anstatt gegen ein Schein-Medikament = Placebo) oder Studien, die mit neuen statistischen Verfahren analysiert werden (sequential trial design). Auch könnte es sinnvoll sein, Wirkstoffe zunächst bei ALS-Patienten mit besonders raschem Krankheitsverlauf zu testen, da sich in dieser Gruppe Effekte schneller abzeichnen sollten.

Darüber hinaus wurden viele Grundlagenerkenntnisse zur ALS in Dublin vorgestellt, ebenso wie Beobachtungen und Erfahrungen in der alltäglichen Betreuung von ALS-Patienten. Diese im Einzelnen zu referieren übersteigt die Möglichkeiten dieses Berichtes.

Ein großer Schritt in Bezug auf eine qualitativ hochwertige und einheitliche Behandlung von ALS-Patienten ist die Erstellung von detaillierten europäischen Empfehlungen für die Diagnose und Therapie von ALS-Patienten die von einer Expertengruppe der europäischen Föderation der Neurologischen Gesellschaften (EFNS) erstellt wurde. Die Empfehlungen wurden auf dem Kongress vorgestellt und kürzlich veröffentlicht (Andersen PM, Borasio GD, Dengler R, Hardiman O, Kollewe K, Leigh PN, Pradat PF, Silani V, Tomik B. EFNS task force on management of amyotrophic lateral sclerosis: guidelines for diagnosing and clinical care of patients and relatives. Eur J Neurol. 2005 Dec;12(12):921-38). Die 18-seitige (!) Darstellung umfasst eine präzise Darstellung der aktuellen Erkenntnisse und gibt zudem klare Hilfen für die praktische Behandlung. Diese Empfehlungen werden sicherlich die Versorgung von ALS-Patienten nachhaltig verbessern.

PD Dr. Martin Hecht
Neurologische Universitätsklinik Erlangen

Kann man sich testen lassen

Meine Mutter ist an ALS erkrankt und gestorben. Da es Aussagen gibt zur Vererbbarkeit der Krankheit, kann man sich prüfen bzw. testen lassen ob man selbst betroffen ist, bevor die Krankheit sichtbar/bemerkbar wird.

Priv.Doz. Dr. Martin Hecht:
In den meisten Fällen macht das keinen Sinn. Warum?

Ca. 5% der ALS-Patienten haben eine familiäre, vererbte Form. Diese ist dominant vererbt, d.h. jeder mit einer entsprechenden genetischen Veränderung erkrankt auch (es sei denn, er stirbt aus anderem Grund in jungen Jahren).
Sollte in Ihrer Familie außer der Mutter bisher kein ALS-Fall aufgetreten sein, ist eine familiäre Form nicht anzunehmen.

Das Problem mit der Testung ist folgendes: Es ist hauptsächlich ein verändertes (mutiertes) Gen, das ein bestimmtes Enzym, die Superoxiddismutase 1 kodiert, ( = mSOD1) bekannt. Allerdings haben selbst von den familiären Patienten nur 20% diese Veränderung, die anderen sind bsiher nicht bekannt (80%!!).

Was bedeutet das? Wenn in Ihrer Familie außer der Mutter bisher kein ALS-Fall aufgetreten ist, ist die Wahrscheinlichkeit für eine mSOD1 extrem gering. Würden Sie sich testen lassen, erhalten Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ein unauffälliges Ergebnis. Dies würde jedoch für Sie fast keine zusätzliche Sicherheit bedeuten.

Der einzige sinnvolle Fall für eine Testung ist: Es besteht von der Familiengeschichte her eine familiäre Form + bei bereits an ALS Erkrankten wurde die mSOD1 bereits nachgewiesen. In diesem Fall kann ein Nachkomme eine klare ja/nein Antwort erhalten.

Tod durch ersticken

Geehrter Herr Dr. Hecht, ich lese immer wieder das bei den meisten ALS-Patienten der Tod durch ersticken eintritt. Wie muss ich das verstehen und auf was muss ich mich in dem Fall vorbereiten als Angehöriger? Vielen Dank für die Beantwortung dieser vielleicht heiklen Frage.

Priv. Doz. Dr. Martin Hecht
Eine sehr wichtige, aber auch schwierige Frage: Dies ist falsch in dem Sinne des Erstickens. Richtig ist, dass die Beteiligung der Atmemuskulatur das Leben von ALS-Kranken zumeist begrenzt. Die Atmung hat zwei Funktionen, die Aufnahme von Sauerstoff und die Abgabe von Kohlendioxid. Einen Mangel an Sauerstoff spüren wir als Atemnot, der Anstieg des Kohlendioxid macht uns müde bis zur „Narkose“. ALS-Patienten werden bei einer fortgeschrittenen Schwächung der Atemmuskulatur durch das Kohlendioxid müde. Begleitend kann in seltenen Fällen etwas Atmenot bestehen, was aber durch die Gabe von Sauerstoff gut linderbar ist. Schreitet die Atemlähmung fort schlafen die Patienten ein. Ein Ersticken i.S. eines akuten um Luft Ringens tritt nicht auf.
Viele Patienten und ihre Angehörigen beschäftigen sich im Stillen mit dieser belastenden Frage, daher ist es wichtig diese Frage zu stellen und zu beantworten.

Muskelschwund im Handballen

Sehr geehrter Herr Dr. Hecht, häufig wird beschrieben, dass sich bei Beginn der Krankheit der Muskelschwund oft an den kleinen Handmuskeln zeigt, insbesondere am Handballen. Ich würde gern wissen, wie man das erkennt. Sind es Stränge, die plötzlich fehlen? Sind es Mulden, die man auch im entspannten Zustand sieht ? Ist die Kraft sofort beeinträchtigt ? Ich frage, weil ich öfter ein Zucken der Handmuskeln habe und ich eine Art Rinne am Handballen bemerke (beim Abspreizen des Daumens) Vielen Dank im Voraus !

Priv. Doz. Dr. Martin Hecht:
Im Gegensatz zu den weitaus häufigeren Nervendruckschäden wie dem Karpaltunnelsyndrom, sind bei einer beginnenden ALS üblicherweise alle kleinen Handmuskeln verschmächtigt. Es betrifft also nicht nur einzelne Muskelstränge. Durch die dazwischen liegenden Knochen können Mulden erkennbar sein. Zuckungen (Faszikulationen) können bei der ALS, aber auch bei anderen Erkrankungen und bei Gesunden auftreten. Aber: Letztlich kann diese Frage nicht schriftlich beantwortet werden. Sollten Sie sich Sorgen machen, ist die Vorstellung bei einem Neurologen sinnvoll.“

Was geschieht bei Faszikulationen

Sehr geehrter Herr Dr. Hecht, bitte würden Sie mir erklären, was durch die Faszikulationen hervorgerufen wird? Was genau geschieht dabei/dadurch? Ich hoffe, ich konnte meine Frage verständlich stellen, ist nicht so einfach. Vielen Dank im voraus und beste Grüsse

Priv. Doz. Dr. Martin Hecht:
Faszikulationen sind unwillkürliche Zuckungen von Muskelteilen, den sogenannten motorischen Einheiten. Eine motorische Einheit umfasst alle Muskelfasern, die von einer Nervenfaser angesteuert werden. Faszikulationen sind an sich unspezifisch, sie können auch beim Gesunden Menschen oder nach Nervenschädigungen auftreten. Sie sind jedoch auch charakteristisch für die Krankheit ALS. Sie entstehen wahrscheinlich vorwiegend durch die Reinnervation, d.h. durch die „Neuversorgung“ von Muskelfasern durch frisch ausgewachsene, instabile Nervenästchen. Sie sind für sich genommen harmlos, bei massivem Faszikulieren kann durch Vitamin E, evtl. durch Carbamazepin das Auftreten vermindert werden.

ALS-Syndrom

Meine Mutter, 51 Jahre alt leidet an den Syndrom der ALS. Gibt es irgendwelchen Unterschied zwischen ALS und Syndrom der ALS?

Priv. Doz. Dr. Martin Hecht:
Nein, letztlich ist die Diagnose ALS (noch) eine Syndromangabe: Es finden sich isoliert Veränderungen des oberen und unteren Motoneurons ohne dass eine entzündliche, mechanische etc. Ursache gefunden werden kann. Wir gehen dann davon aus, dass eine frühzeitige Alterung (Degeneration) zugrunde liegt. Es wäre vorstellbar, dass verschiedene Ursachen zu diesem Syndrom führen können, wir haben jedooch darüber keine Kenntnisse.