Bericht vom ALS-Gesprächskreis am 04.02.12

Am 04.02.2012 fand wieder ein ALS-Gesprächskreis durch Organisation von der DGM-Bayern statt.
Frau Werkmeister von der DGM war so freundlich, uns einen Bericht hierüber zur Verfügung zu stellen.

Referent: PD Dr. Martin Winterholler
Eine englische Arbeit, die ca. vor 3 Monaten erschienen ist, konnte zeigen, dass Sportler und körperlich aktive Menschen häufiger an ALS erkranken. Warum das so ist, dafür gibt es nur einige wage Vermutungen. Die motorischen Nervenzellen (Motoneurone) von körperlich sehr aktiven Menschen könnten stärker beansprucht und daher früher abgebaut werden. Auch genetische Risikofaktoren könnten zum Ausbruch der Erkrankung beitragen. Menschen, bei denen keine vaskulären Risikofaktoren vorhanden sind und die eher einen normalen oder niedrigen Cholesterinspiegel haben, scheinen ein größeres Risiko aufzuweisen, im Laufe ihres Lebens eine ALS zu entwickeln.

Die Punktprävalenz (Anzahl der Erkrankten zu einem bestimmten Zeitpunkt) liegt zwischen 2,7 und 7,4/100.000 Personen, vermutlich eher im oberen Bereich. Weltweit tritt die Erkrankung etwa gleich häufig auf. Es wird eine Zunahme der Erkrankung beobachtet. Die Ursache ist unbekannt, möglicherweise spielen auch Umweltfaktoren eine Rolle. Wahrscheinlich gibt es sehr viele unterschiedliche Ursachen, die eine ALS auslösen können.

Therapieansätze waren bisher schwierig, weil es vermutlich viele verschiedene Ursachen gibt. Das ist auch der Grund, weshalb mit den Therapiestudien der letzten Jahre kein Erfolg erzielt werden konnte. Bisher konnte eine Lebensverlängerung nur durch die Einnahme von Rilutek erreicht werden.
Im August 2011 erschien in „Nature“, das zu den rennomiertesten Wissenschaftsmagazinen zählt, eine sehr interessante Arbeit über eine mögliche Ursache der ALS.
Es handelt sich um bestimmte Eiweißbausteine mit dem Namen Ubiquilin. Diese verklumpen und werden von Nervenzelle zu Nervenzelle weitergegeben. Die Forschung konzentriert sich nun auf die Frage, wie ein Verklumpen und eine Ausbreitung auf andere Nervenzellen verhindert werden kann. Hier wird ein neuer Ansatz für zukünftige Studien liegen.
Möglicherweise spielen auch Umweltfaktoren eine Rolle. Es scheint ein gehäuftes Auftreten von ALS in manchen Regionen zu geben.

An der Charite in Berlin läuft zur Zeit eine Studie mit der Substanz Olanzapin unter der Bezeichnung OLN ALS 01. Ziel ist die Erhaltung des Gewichts, da eine rasche Gewichtsabnahme mit einer Verschlechterung der Prognose einhergeht.
Ab Frühjahr wird eine Studie mit Dexpramipexol anlaufen. Die Studie wird weltweit
an verschiedenen Zentren angeboten. Welche Zentren in Deutschland daran beteiligt sein werden, ist momentan noch offen. Es werden weltweit unter bestimmten Ein- und Ausschlusskriterien etwa 400 Teilnehmer ausgewählt, in Deutschland werden 20 bis
30 Patienten teilnehmen können. Die Studie wird 18 Monate dauern.

Die Auseinandersetzung mit dem Thema Beatmung löst häufig Angst aus. Daher wird das Thema manchmal übersehen. Die Messung der Lungenfunktion gehört zur Untersuchung und Überwachung mit dazu. Wichtig ist die Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine Beatmung grundsätzlich gewünscht wird. Wenn man sich für eine Beatmung entscheidet, ist es wichtig, möglichst früh damit zu beginnen. Der Krankheitsverlauf selbst kann durch die Beatmung nicht verzögert werden. Wird keine Beatmung gewünscht, so ist eine palliative Begleitung möglich. Bei einer bulbären Beteiligung (Ausfall der Schluck- und Schlundmuskulatur) kommt es nicht zu einer vermehrten Speichelbildung, sondern der Speichel kann nicht mehr
geschluckt werden. So entsteht der Eindruck, als ob sich viel mehr Speichel bilden würde.
Der Mensch produziert am Tag etwa 1-1,5 Liter Speichel. Bei starker Schleimproduktion
kann eine Maskenbeatmung unter Umständen schwierig sein.
Eventuell kann ein Tracheostoma in diesen Fällen Abhilfe schaffen. Im Anschluss an die Präsentation von Herrn Dr. Winterholler konnte die Hustenhilfe „Cough Assist“ ausprobiert werden.. In der Pause nutzten die Teilnehmer die Gelegenheit, Fragen zu stellen und miteinander ins Gespräch zu kommen.
Ein Aufklärungsfilm zu den Möglichkeiten der Beatmung bei ALS wurde gezeigt.
Herzlichen Dank an Herrn Dr. Winterholler für sein Engagement und die gute Zusammenarbeit.

Susanne Werkmeister

Kommentar Prof. Dr. Hecht, 2.3.12:
Ob die Erkrankung tatsächlich zunimmt, ist nicht geklärt.

  1. haben nicht alle Studien eine Zunahme gezeigt (z.B. keine Zunahme im norditalienischen Register),
  2. könnte es auch sein, dass die Krankheit sicherer diagnostiziert wird, d.h. nicht öfters vorkommt, aber besser erkannt wird.

Im schwäbischen ALS-Register unter der Leitung der Universitätsklinik Ulm (u.a. Teilnahme der Neurologie Kaufbeuren), wurde bisher keine Zunahme gesehen.

Da die Neurologische Universitätsklinik Ulm bereits an der Vorstudie zu Pramipexol beteiligt war, ist stark anzunehmen, dass diese Klinik bei der aktuellen Pramipexol Studie wieder Studienzentrum ist.